ROLF-GUNTER DIENST

HOMMAGES

21.02.2015 - 11.04.2015

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Unter Farbfreunden
„Hommagen“ von Rolf-Gunter Dienst

„Grünes Arsen, auf ein ei-weißes Tuch geschmiert, / Zerquetschte Erdbeeren! Komm, laß die Augen schlemmen.“ 
Ezra Pound, L’art, 1910

Rolf-Gunter Dienst – in Kurzform: RGD – kennt sich aus mit Worten und mit Bildern. Seit den Sechzigerjahren paktiert er in einer unverwechselbaren Parallelaktion mit beiden – mal als Kunstkritiker, mal als Maler. Im Unterschied zu seinem Schreiben beruht seine Farbmalerei von Anfang an auf einem einzigen, syntaktisch wie semantisch unbestimmten und unbestimmbaren, in sich verschlungenen „Kürzel“. Selbst wenn es linear organisiert auftritt, ist es kein Schriftzeichen. Es gleicht vielmehr einem ausstrahlenden Schwingungszentrum, dessen geballte und in sich kreisende Bewegung die Energie der Farbe und deren Umgebung aktiviert. 

Da er diesen nicht zu entwirrenden Farbknoten zumeist in Zeilen organisiert, wurde RGD irrtümlich für einen schreibenden Maler oder einen malenden Schreiber gehalten – beides nichts als Binsenweisheiten und böswillige Unterstellungen, die neidisch beide Leidenschaften entwerten und mutwillig ignorieren, dass RGDs Sensorium eben hier wie dort zuhause ist. Und weil RGD überdies ein großer Leser ist, labt er seine Einbildungskraft mit Lust an vielen Quellen, auf dass der Blick des Betrachters über die Leinwände gleite wie Käpt’n Ahabs Späherauge über die sich kräuselnden Wellen.

Schon Mallarmé hat es sich bekanntlich mit den sentimental Gestimmten verscherzt, als er nüchtern festhielt, Gedichte bestünden aus Worten, nicht aus Gefühlen. Ebenso wenig wie Gedichte bestehen RGDs Gemälde aus Gefühlen. Ihr Terrain ist die Farbe. Deren reichhaltige Anklänge, Aromen und Nuancen werden mittels Pinselchiffre aktiviert, woraus ein Reichtum des Sehens entsteht, für den wir keine oder jedenfalls zu wenige Worte haben. Allein wortmächtige, metaphernreiche und wortmalerische Romane und Dichtungen verfügen über eine ähnliche Fülle. 

Wort und Bild, Sprache und Farbe sind in RGDs Kunst mithin ebenso verschlungen wie seine Malerzinke. Denn auch aus seinen Farb-Kürzel-Feldern steigen Szenen, Atmosphären, Gesichte und Dramen auf. Seine konzentrierten Farbmischungen aktivieren flirrende Helle und dumpfen Schlamm, duftigen Blütenzauber und sattes Regenwalddickicht – ohne sich dabei an irgendeine konkrete Vorstellung zu binden oder sich gar an sie zu verlieren. 

RGD versteht es zudem immer wieder, wie Robert Kudielka es ausdrückt, in seinen Bildtiteln auf „die farbige Frequenz der Welt eines Schriftstellers“ Bezug zu nehmen. Auch hier werden Wort- und Farbklang fein abgeschmeckt oder bei Bedarf kräftig gewürzt, wobei sich RGD in und mit seinen Gemälden seit vielen Jahrzehnten (wer nachrechnen möchte, soll es tun) vor geschätzten Malerkollegen, Schriftstellern und Dichtern verneigt, die seine Einbildungskraft beständig anregen. Selbstbewusst, nicht um einen Bückling zu machen. RGD fährt auch nicht Trittbrett. Er bekennt vielmehr: Mein Geist und meine Sinne sind erregbar, gleichermaßen affizierbar von Wort und Bild; auch bin ich nicht allein auf der Welt und kann sehen und hören und lesen, was und wie es andere machen und gemacht haben.

Nun treten sie in einer Ausstellung in den Berliner KUNSTSAELEN noch einmal gemeinsam auf. Zuerst, ohne dass darin eine Bevorzugung liegen würde, seien die Maler genannt: Ad Reinhardt, dem RGD zwischen 1974 und 1977 zahlreiche Epitaphe gewidmet hat, Jasper Johns, der als „Der Mann aus Augusta, Georgia“ seinen Auftritt hat, und nicht zu vergessen RGDs zwischen 1979 und 1981 gemalte „Antworten auf Gerhard Hoehmes ,Römischen Brief’“. Es folgen Schriftsteller und Dichter: Jorge Luis Borges, aus dessen Erzählung „Undr“ eine Bilderserie hervorgegangen ist, Echos von Worten und Gedanken Robert Creeleys, das schäumende Meer aus Herman Melvilles „Moby Dick or the Whale“ und, last but not least, Seamus Heaneys torfige Landschaften. 

Es hätten noch viele mehr sein können und auch dürfen, ist bei all dem Treiben mit Worten und Bildern der Titel eines RGD-Gemäldes von 1962 doch nicht zufällig gewählt: „Mein Gedicht heißt Farbe“. 

Bleibt – mit einem Seitenblick auf einen wundersam verschlungenen Text, den Ludwig Harig 1972 über RGD geschrieben hat – nur noch hinzuzufügen: Der Mann, der sich (als er noch rauchte) entschlossen hat, „eine Zigarette Winston Filter anzuzünden“, eine Leinwand aufzuspannen und zu malen (indem er geduldig alle nötigen Handgriffe ausführt), und den, wenn er sich erst einmal entschlossen hat, nichts und niemand auf der Welt davon abbringen kann, dieser Mann geht, wie Harig zurecht vorhergesagt hat, noch immer „blauen, grünen, gelben, vielleicht schwarzen, vielleicht aber auch rosa Zeiten entgegen“. 

Text: Thomas Wagner

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Among Colorful Friends
Hommages of Rolf-Gunter Dienst

„Green arsenic smeared on an egg-white cloth,?Crushed strawberries! Come, let us feast our eyes.“ 
Ezra Pound, L’art, 1910

Rolf-Gunter Dienst – in shortform: RGD – knows his stuff in regards to words and images. Since the 1960s he has engaged in inexchangeable parallel actions with both – both as an art critic and as a painter. In contrast to his writing, his paintings are based on a unique, syntactically and semantically uncertain and indefinable, internally intertwined 'code'. Even when their appearance is linear, they are not made up of linguistic characters. They are much more like a radiating wave, whose coalescences and self-circling movements activate the energy of the color and its surroundings. 

Because he most often organizes these color-points in rows, RGD is erroneously regarded as a writing painter or a painting writer – both titles being nothing but platitudes and malicious insinutations that jealously devalue both pursuits and stubbornly ignore that RGDs sensorium is at much at home in the former as the latter. As RGD is moreover a rapacious reader, he gladly indulges his imagination in many sources, over which the viewer's gaze upon the canvas glides like Captain Ahab's scouting eye over the rippling waves.

Mallarmé is well known to have forfeited sentimental tones as he soberly contended that poems consisted of words, not of emotions. Just like poems, RGDs paintings are little influenced by emotion. Their terrain is color. Its rich echoes, aromas and nuances are activated by his brush-cipher, whereby a kingdom of the visible arises, for which we have no, or too few, words. Only linguistically powerful novels and poems, rich in metaphor and painterly turns of phrase command a similar abundance. 

Word and image, language and color are consequently as interlaced in RGDs artwork as his artistic mark. Thus also, from his color-code-fields grow scenes, atmospheres, faces and dramas. His concentrated color mixes activate, in their shimmering light and muffled mire, perfumed and enchanted blossoms and luscious thickets of rainforest – without thereby binding themselves to a concrete image or completely losing one. 

RGD futhermore conceives again and again in his titles to refer to, as Robert Kudielka expressed it: „the colored frequency of the world of a writer.“ Also here words and color-tone are finely seasoned or heavily spiced as needed. In this way RGD in and with his paintings, for many decades (who wants to count), bowed to treasured authors, poets and colleagues in painting who consistently excited his imagination. Self-assured, not bowing and scraping. RGD was no epigone. He confessed to much more: my spirit and my senses are excitable, effected by word and image in equal measure; also, I am not alone on the earth and I can see and hear and read what and how others do it and have done it.

Now they (RGD and his influences) appear once again together in an exhibition in the KUNSTSAELE Berlin. Firstly, without any favoritism implied, we'll mention the painters: Ad Reinhardt, to whom RGD dedicated numerous epitaphs between 1974 and 1977, Jasper Johns, who made his appearance as "The Man from Augusta, Georgia" and not to forget "Antworten auf Gerhard Hoehmes 'Römischen Brief'" (Answers to Gerhard Hoehme's 'Roman Letter'), which RGD painted between 1979 and 1981. Writers and poets follow: Jorge Luis Borges, from whose tale "Undr" a painting series emerged, echos of the words and thoughts of Robert Creeley, the foaming sea from Herman Melville's "Moby Dick; or, the Whale" and, last but not least, Seamus Heaney's peaty landscapes.

There could and may have been many more included. After all the brouhaha about words and images, the title of a RGD painting from 1962 pointedly states "Mein Gedicht heisst Farbe" (My poem is called color).

With a sideward glance at a wondrously intricate text written by Ludwig Harid about RGD in 1972, only one thing is left to add: The man, who (when he still smoked) decided to „...light up a Winston filter cigarette...“, stretch a canvas and begin to paint (in which he patiently peforms all the necessary movements), and, when he has made a decision nothing and no one on earth can dissuade him, this Man goes, as Harig correctly predicted, ever „toward blue, green, yellow, perhaps black, but perhaps also pink times.“

Text: Thomas Wagner

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